Die Tour hatten wir aus unserem Reiseführer von Michael Müller, zumindest den ersten Teil. Tagsüber wurde es recht warm, deshalb starteten wir zu unserer heutigen Tour bereits kurz nach Sonnenaufgang an der Bucht von Achilli. Früher eine liebliche Bucht wurden hier mit EU-Geldern Tausende Tonnen Beton her gekippt – für einen Yachthafen. Gesehen wurde noch keine, die Stelle ist wohl ungeeignet. Wir kamen gut voran, es war noch angenehm kühl. So erreichten wir schon nach einer guten halben Stunde die Kapelle Ágios Ioánnis auf etwa 180Höhenmetern. Der Weg zog nun angenehm bergauf, die Sonne schien – aber es war noch nicht zu heiß. Die Vegetation war zwar recht braun, jedoch bunt getupft von den Blüten der Thymianbüsche. Im Nordteil der Insel erhob sich – schon etwas im Dunst – der markante Kastrofelsen. Nach der Querung des ausgetrockneten Báti – Baches erreichten wir eine Hochebene, auf der der Weg in Richtung der Steilwand des 600 m hohen Glíns-Berges abzweigt. Das geübte Auge erkannte bereits die weiße Kapelle.
Unter einem Felsen steht das Kirchlein Ágios Artémio auf einem Plateau auf 394 Höhenmetern? Zahlreiche Bänke laden natürlich zu einer Rast ein. Hier ist offensichtlich immer mal was los, zumindest zum Namenstag des Heiligen am 20. Oktober. Zu der dann stattfindenden Panagýri brennen dann wohl auch alle Lampen an den letzten Metern des Aufstiegsweges. Die Quelle hingegen erschien wenig vertrauensvoll – jedoch hatten wir ja ausreichend Wasser mit. Hier machten wir erstmal Rast und genossen die wunderbare Aussicht.
Das Tagesziel war eigentlich erreicht – doch es war noch früh am Morgen. Es sollte nicht der gleiche Weg zurück sein, Vati hatte eine Runde mit Blick auf die Südküste gefunden. Wir liefen wir ein karges Tal hoch, waren noch sehr gut drauf. Das Schild am Abzweig gab dem Wandertag eine Wendung. Da stand: 1:40h bis auf den Kóchylas. Wir waren so nah dran? Wasser hatten wir noch 4 Liter – genug…
Glücklicherweise hatte ich auf unserem GPS-Helferlein für die für morgen geplante Wanderung bereits drei mögliche Aufstiege auf den Kóchylas – uns fehlten nur die 500m bis zur Aufstiegsroute von Kalamítsa. Und zu dieser führte offensichtlich ein breiter Weg. Die Aussicht auf die Südküste war überwältigend. Schließlich war noch ein Aufstieg durch eine Felswand zu finden, aber der Weg war dann breit genug und kaum zu übersehen. Es ließ sich auch gut laufen – alles bestens. Wir mussten uns die Stelle nur für den Rückweg merken – von oben schwer zu sehen! Dann waren wir auf dem Hochplateau. Hier fanden wir dann eine Markierung von Wege 5. Offensichtlich führte der Weg von Ágios Artémio weiter an den Aufstiegsweg von Kalamítsa. Bald kam auch diese Markierung 3 herauf und führte hoch zum Inselhöchsten. Wir folgten der groben Ausschilderung – vor allem aber unserem GPS-Gerät. Dies war heute mehr als hilfreich. Die Landschaft hatte sich nunmehr völlig verändert. Hier oben gab es nur noch Steineichen, in den vielen kleinen Schluchten hatten sich höhere Wälder davon gebildet. Auf der Fläche dieser Hochebene blieben die Steineichen sehr klein, bildeten eher Büsche – es war sicher windig hier. Die Landschaft war jedoch keineswegs so kahl, wie wir gestern aus der Ferne vermutet hatten. Auch weiter oben gab es noch Steineichenbäume, vorrangig in geschützten Senken. Die übliche Phrygana wuchs beidseits des Pfades, der dadurch manchmal recht eng wurde. Wir wussten ja nicht, welcher Berg nun der Kóchylas ist. In einem kleinen Wäldchen fanden wir Reste eines Wegweisers, der nach korrektem Zusammensetzen den Gipfel mit 10 Minuten angab. Das Ziel war nah! Also auf zum Gipfel. Die Pfade waren hier oben schwer zu finden, oft musste ich das GPS ganz detailliert einstellen, und einige Male kamen wir schon sehr weit vom Weg ab. Markierungen gab es keine, nur Wegweiser alle paar Hundert Meter. Oft liefen wir einfach querfeldein über Geröll und neben dem dichten, stachligen Bewuchs.
Nach 6,5 Stunden waren wir auf dem 788m hohen Kóchylas, dem höchsten Berg von Skýros und gleichzeitig all unserer Sporadeninseln. Vati war platt, Mutti hatte noch einige Reserven. Jetzt war erstmal Pause – Aussicht genießen. Im Westen reichte der Blick über die vorgelagerten Inseln bis nach Évia. Auch der Inselnorden von Skýros war zu sehen. Es war ganz offensichtlich der Gipfel – auf dem überschaubaren Plateau ging es nach allen Seiten abwärts, im Osten war noch ein kleiner Hügel, der aber doch mindestens 20 m tiefer als unsere Position war. Bei der Betrachtung der openstreatmap-Karte stellte ich im Nachhinein fest, dass diese dort etwas fehlerhaft ist, auch beim Betrachten der outdoor-atctiv-Tracks stellt man das Problem fest. Auf der griechischen Road-Karte, die wir im Vorfeld gekauft hatten, war der Gipfel korrekt eingezeichnet. Einen solchen Fehler im openstreetmap hatte ich noch nicht.
Wir hatten auf dem Hinweg den Pfad verlassen und waren über einen kleinen zusätzlichen Gipfel gelaufen, das wollten wir auf dem Rückweg vermeiden. So folgten wir dem GPS-Track so gut es ging – meist auf nicht erkennbaren Ziegenpfaden querfeldein durch die Phrygana. Und so kam es, wie es kommen musste: Anett strauchelte in den stacheligen Büschen. Die Stacheln haben wir am Folgetag noch aus dem Bein entfernt. Glücklicherweise waren das die einzigen Folgen. Hier oben soll es auch noch einige Skýros-Pferde geben, leider haben wir keine gesehen. Wir sind also weitestgehend zurück gelaufen wie gekommen, mit mehreren Pausen. An der Querung des ausgetrockneten Báti – Baches machten wir nochmal eine Pause, dann lag weitere Weg im, im unteren Teil der Tour war es schon sehr warm geworden, und das Wasser ging auch zur Neige.
Nach knapp 11 Stunden für 19 km mit 1000 Höhenmetern erreichten wir zwar etwas geschafft, aber doch recht glücklich wieder den Strand von Achillas. Die Tour war etwas größer geworden als geplant, doch es war eine Traumtour gewesen.
Morgen wird es etwas ruhiger werden – es gibt auf der Insel noch einiges abseits der Wanderwege zu entdecken!